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Die evangelische Jenaplanschule

Lernen ohne Grenzen

Der „Jenaplan“ ist ein Schulentwicklungskonzept des Reformpäda­gogen Peter Peter­sen (1884–1952) aus dem Jahre 1927.

In Mössingen, Landkreis Tübin­gen, wurde 2009 eine Jenaplan­schule auf dem Gelände des Firstwaldgymnasiums gegrün­det. Die beiden Privatschulen, deren Träger die evangelische Lan­deskirche ist, schlossen sich zu einem Schulverbund zusam­men, den „Schulen am First­wald“.

Das demokratisch geprägte Kon­zept stützt sich auf vier Säulen: Arbeit, Spiel, Gespräch und das Feiern von Festen.

Jahrgangsübergreifend und in­tegrativ wird nach eigenem Tempo gelernt. Bis zur achten Klasse verzichtet die Schule auf Noten und nach dem Konzept der Gemeinschaftsschule kön­nen Werk­realschulabschluss und die mittlere Reife erreicht werden. Montessori-Material wird teils selbst hergestellt und die jün­ge­ren Kinder lernen auf krea­tive Art und Weise zum Bei­spiel das kleine Einmaleins an­hand von gesam­melten Kasta­nien. Die Schule greift aber auch durchgehend auf staatli­ches Lernmaterial zurück.

Kein Frontalunterricht

Der Unterricht erfolgt in Tisch­gruppen oder im Kreis, es gibt auch Freiarbeitszeiten, in wel­chen die Kinder nach eigenem Takt selbstbestimmt arbeiten dürfen. Peter Petersen verwendete als erster den Begriff des „Frontal­unterrichts“ und lehnte diesen strikt ab. Petersen machte in einer jahr­gangsübergreifenden Dorfschule während seiner eigenen Schul­zeit die Erfahrung, dass sachli­ches Arbeiten und ehrliche Leis­tung nur dann möglich sind, wenn einem Kind genügend Zeit und Ruhe gelassen werden, so­dass es sich der Sache mit Muße und Hingabe widmen kann. Er schrieb später:

„Wir müssen die Liebe zur Sache entwickeln, die Fähigkeit, sich auf lange Zeit mit einer Sache zu befassen, sie von vielen Seiten anzu­sehen und anzu­packen; Schüler und Sache müssen weitge­hend miteinander eins werden.

Petersen hob hervor, bei den Kindern entdeckendes Lernen zu fördern, ihnen den Freiraum zu geben, um zu gestalten, zu le­ben und darzustellen. Gleichzei­tig warnte er davor, dass in Schulen „Papageienwissen“ ein­trainiert wird, das zwar den Vor­teil der einfachen Überprüfbar­keit habe, aber keinen Beitrag zur Huma­nisierung des Kindes leiste.

Den Pädagogen prägte in der Zeit der Konzeptentwicklung seine Be­geisterung für Maria Montes­sori (1870–1952). Die Ärztin und Reformpädagogin sah die kindli­che Entwicklung als Entfaltung der Kräfte nach ei­nem „verborge­nen, aber festen inneren Bau­plan“. So sei es die wichtigste Aufgabe von Pädago­gen, dem Kind eine Entwicklung gemäß seiner eigenen Antriebe zu er­möglichen.

"Hilf mir, es selbst zu tun" (Maria Montessori)

Dieses Zitat hat die Bedeutung, dem Kind nur unterstützend zu zeigen und zu erklären, wie et­was funktioniert und es selber ins Handeln kommen zu lassen und ihm nicht die Arbeit aus der Hand zu nehmen.

Ein Gespräch mit einer Lehrerin über Prioritäten und Vorstellun­gen in der Erziehung heute ergab Folgendes:

Freie Entwicklung würde bei unterschiedlichen pädagogi­schen Ansätzen heutzutage äu­ßerst hochgehalten und würde auch für immer mehr Eltern ein wichtiger Punkt sein“, bemerkt die Befragte, „aber Verantwor­tung und Eigen­verantwortung würden wenig erwähnt.“

In der Jenaplanschule werden die Kinder an den Lernentwick­lungsgesprächen mit den Eltern beteiligt, sie erklären und zeigen dabei ihr Erlerntes. Ganz neben­bei erleben die Eltern, wie sich das Kind mit dem Material aus­kennt, es erklären kann und sich im Klassenraum zurechtfindet, wenn es zum Beispiel aus ver­schiedenen Fächern gezielt seine erarbeiteten Hefte holt.

Was brauchen unsere Kinder, um lernen zu können und wel­che Voraussetzungen bringen sie mit sich?

Die von uns befragte Lehrerin meint hierzu:

„Die einzig wirklich wichtige Grundlage um zu Lernen ist, dass die Kinder eine Beziehung zum Lehrer aufbauen.“

Außerdem wären viel Zeit wich­tig und auch Anleitung sowie ge­nügend Lehrer, um alles erklä­ren zu können. Das Schön­schreiben zu lernen würde zum Beispiel sehr viel Zeit beanspru­chen. Ihrer Meinung nach sei Spaß auch wichtig und die Schü­ler zu motivieren sowie sie gut einschät­zen zu können. Lehrer sollten sich voll auf die Schule konzentrieren, das wäre essenzi­ell, um diese gelingen zu lassen.

Mein Kind passt nicht in das Konzept oder das Konzept passt nicht zu meinem Kind. (Persön­liche Erfahrung)

Eine Vorahnung beschlich mich schon früh während der Kinder­gartenzeit und sollte sich bestäti­gen. Unser Sohn verweigerte von Beginn an die staatliche Grund­schule und das System biss sich bereits im Zuge der ers­ten Hausaufgabe die Zähne an ihm aus. „Ein ganzes Blatt voll Einser male ich nicht!“, meinte er mit seinen gerade einmal sechs Jahren, er wüsste wie das geht: „Einen Strich hoch und ei­nen runter.“

Spätestens bei Hausaufgabe Nr. 4 war dann klar, dass dies so nicht gehen würde und ich mel­dete ihn ab.

Da schien mir die Jenaplan­schule einen Versuch wert und wir bekamen in unserer Notlage kurze Zeit später den erhofften Platz. Mein Sohn fühlte sich sehr willkommen und er willigte ein, als die Lehrerin ihm nahelegte, dort „auch was schaffen zu müs­sen“. Drei glückliche Jahre ver­brachte er in seiner Lerngruppe bis 2020.

Corona und die Umsetzung an­geblich notwendiger Maßnah­men der Schule

Im März 2020 hob man die bis dahin so verlässlichen Säulen des Jenaplans zum Leidwesen der Kinder aufgrund von Maß­nahmen der Regierung aus den Angeln.

Die vierte Säule des Konzeptes sackte als Erstes in sich zusam­men.

Nicht nur das Feiern von Festen, auch der fröhliche, offene, heiß geliebte „Wochenschluss“ mei­nes Sohnes, mit dem gemeinsa­men Singen und Musizieren, bei welchem die Kinder zeigen konnten, was sie gelernt hatten, schien plötzlich kein Thema mehr zu sein.

Schmerzlich verzichtete mein Sohn in dieser Zeit auch auf den Sportunterricht und Musik. So­gar das Fußballspiel in der gro­ßen Pause wurde eines Tages ganz verboten.

Trotz einer sehr schwierigen Zeit, die mit sich brachte, dass er sich vom durchgehend hoch be­geisterten zum lustlosen Schüler entwickelte, behalten wir drei gute Jahre des Jenaplankon­zepts und seiner Umsetzung in Erinnerung.

Wir bitten die Pädagogin ab­schließend um ihre Meinung zur Schulwahl:

Sie meint, man müsste sich Fol­gendes fragen, wenn es um die Wahl der Schulform ginge:

„Welches Kind habe ich? Ist die­ses am Handy oder Computer? Vielleicht ist es sehr zappelig?“

„Und wenn Kinder zu ihrer Le­bensrealität keinen Zusammen­hang erstellen könnten“, fügt sie noch hinzu, „bleibe erfahrungs­gemäß nichts vom Schulstoff hängen“.

Die richtige Schulform für un­sere Kinder zu finden ist keine leichte Entscheidung. Heutzu­tage haben wir eine Wahl und vielen Eltern bereitet das Thema von Beginn an Kopfzerbrechen. Manches Kind trifft auf wohl­wollende Menschen und durch­lebt eine Schulzeit voll guter Er­innerungen, dann fällt den El­tern die Erkenntnis leicht, rich­tig entschieden zu haben. Geht es einem Kind in seiner Schule jedoch nicht so gut, sind wir als Eltern gefragt, genau hinzuse­hen und unser Kind zu unter­stützen. Und in manchen Fällen hilft dann auch ein Schulwech­sel.

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