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Mein Weg aus der Psychiatrie

Schicksale

Im Jahre 2008 war ich Mitte zwanzig, als ich mich für den Stationsdienst einer Kinder- und Jugendpsychiatrie bewarb.

Mit meiner insgesamt vierjähri­gen pädagogischen Ausbildung stellte man mich direkt ein und ich begann mit einem Stundenum­fang von 50 % im Pflege- und Er­ziehungsdienst zu arbeiten. Da­mals mischten sich drei vollstatio­näre geschlossene Stationen mit normalbegabten und sonderbe­gabten Kindern und Jugendli­chen.

Im Jahr darauf fand eine größere Umstrukturierung im Fachkran­kenhaus statt und von da an wurde auf den inzwischen vier Stationen zwischen „Regel- und Sonderversorgung“ ebenenweise unterschieden.

Der Wunsch nach Fortbildung

Von Beginn an bestand der Wunsch, mich eines Tages fortzu­bilden und daher legte ich von 2014 auf 2015 eine willkommene Pause in der Psychiatrie ein. Ich ging dann auf der Suche nach neuen Erfahrungen einer Anstel­lung im Schuldienst desselben Ar­beitgebers nach.

2016 breitete sich daheim die Pu­bertät meiner Tochter allmählich aus und mir verging nach und nach die Lust, den Prozess ihrer Gleichgesinnten im Krankenhaus miterleben zu müssen. Dennoch ging ich weiter meinem Job nach, denn ich konnte stets Sinn darin finden und mir wuchsen seit Be­ginn die Kinder und Jugendlichen mit der Doppeldiagnose „geistig behindert und psychisch krank“ besonders ans Herz. Somit bevor­zugte ich die Arbeit auf der „Son­derversorgung“, leistete aber auch Dienste bei den Normalbegabten.

„Es gibt nichts, was es nicht gibt“, wenn es um das Erleben und Ver­halten von Menschen geht, dachte ich in dieser Zeit. Immer wieder neue, junge Menschen mit einzig­artigen Lebensgeschichten, ge­prägt durch vielfältige Schwierig­keiten sowie vorab teils unvor­stellbare Verhaltensweisen und auch Defizite jeder Art.

Meine Kollegen wuchsen mir ans Herz, mit einigen traf ich mich ab und an auch privat zum Früh­stück, mit meinen direkten Teamkollegen verbrachte ich jährlich im Sommer Zeit beim Grillen. Bei Dienstbeginn freute ich mich stets auf die Kontakte, wir pflegten ein gutes Verhältnis und ließen uns auch gegenseitig am persönlichen Leben teilhaben.

Ich stellte meine Weiterbildung familiär bedingt hinten an. Somit blieb ich im Stationsdienst, immer mit dem Gedanken, im Alter nicht mehr an der „Front“ arbeiten zu wollen und mich bis dahin weiter­gebildet zu haben. Wer möchte schon im Alter mit Schlägen, an­deren Handgreiflichkeiten und Drohungen von Jugendlichen rechnen müssen? Ich zumindest sah mich dort die letzten Jahr­zehnte bis zur Rente nicht.

Mit den Jahren verschärften sich die Arbeitsbedingungen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie durch neue Regeln, Lichtschran­ken oder richterliche Beschlüsse, wie Isolierungen auf Anweisung und Kamerakontrollen.

Man stellte mehr Personal ein und nachts bereicherte das Haus eine Rufbereitschaft. Was wir ur­sprünglich kurz von Hand doku­mentierten, verwandelte sich am PC in umfangreichere Büroarbeit.

Als 2020 Corona ins Spiel kam, waren uns Mundschutz, diverse Tests sowie Schutzkleidung für den ganzen Körper und der Um­gang damit nicht fremd. Schon mehrfach hatten wir Kontakt mit Viren gehabt und wurden dafür regelmäßig gerüstet und geschult.

In diesen ersten Monaten be­schlich mich das Gefühl, dass die Welt um mich herum spinnt. Mein Vertrauen sank und Wut und Verachtung stiegen in mir hoch, als sich enge Verwandte ei­nes Tages im März 2020 von mir und meinen Kindern Sonntagmit­tag im Garten mit Abstand „verab­schiedeten“. Durch dieselbe Ver­wandtschaft erhielt ich Monate später eine Aufklärung, die eine große Veränderung in meinem Le­ben bewirkte.

Leider ahnte ich dennoch absolut nicht, was es mit den Schnelltests sowie dem PCR-Test auf sich ha­ben könnte und ließ mich von mei­nem Chef mehrfach aufgrund von positiv getesteten Kindern, zu de­nen ich Kontakt gehabt hatte, dazu bringen, einen Test über mich ergehen zu lassen.

Der erste PCR-Test war eine furchtbare Erfahrung. Ohne Vor­warnung rammte mir der Arzt das Stäbchen erst in den Rachen und dann in die Nase. Durch meine Erkältung tränten mir die Augen und vor lauter Angst zuckte ich je­des Mal zurück, wenn er erneut in die Nase eindringen wollte.

Den unangenehmsten PCR-Test führte jedoch eine Ärztin bei mir durch. Ich bin ihre erste Versuchs­person gewesen, wie sie mir direkt davor mitteilte. Nach mehreren Anläufen, viel Überreden sowie kleinen Entschuldigungen, been­dete sie die Testerei als erstmal er­folgreich. Mir standen die Tränen in den Augen und ich fühlte mich am Ende. Am nächsten Tag stellte sich heraus, dass der Test als un­gültig galt. Zu meinem Glück hatte ich dann sowieso ein paar Tage frei. Ich versuchte, das Gesche­hene zu verdauen und bei Dienstantritt er­hielt ich eine Ent­schuldigung von meinem Chef, ihm täte mein Er­lebtes leid.

Zunehmend verlor ich mein Ver­trauen in dieses Haus, in dem ich arbeitete, und in die mittlerweile zu einem größeren Teil geimpften Kollegen. Während ich mich pri­vat monatelang informierte, be­mühte ich mich gleichzeitig, an den einen oder anderen Kollegen Erkenntnisse heranzutragen. Je­doch entstand eine tiefe Kluft zwi­schen geimpften und ungeimpften Mitarbeitern. Unsere gute Atmo­sphäre im Haus fühlte sich zuneh­mend vergiftet an. Einige Kolle­gen, mit welchen ich über Jahre ein scheinbar freundschaftliches Verhältnis gehabt hatte, be­schränkten den Kontakt zu mir auf das Notwendigste.

Wenn ich den Berg zur Arbeit hochfuhr, bekam ich die letzten fünf Minuten starke Schweißaus­brüche. Genauso erging es mir bei der Zusammenkunft mit besagter Ärztin, die mich getestet hatte, ich schwitzte schon, wenn ich nur ihre Stimme hörte.

Als Ende November 2021 das „Testen vor Zeugen“ für Unge­impfte eingeführt wurde, konnte ich nicht mehr. Ich absolvierte mühsam meinen letzten Dienst und bin seitdem krankgeschrie­ben.

Heute denke ich, es sollte wohl so sein, denn mein Weg konnte dort einfach nicht weitergehen.

Leider kämpfe ich trotz Krank­schreibung immer noch mit einem Bußgeldbescheid aufgrund der einrichtungsbezogenen Impf­pflicht für 2022 und benötige da­für aktuell rechtlichen Beistand.

Für mich führt derzeit kein Weg mehr zu meiner Dienststelle zu­rück. Ich verbinde die Arbeit mit verschiedensten Ängsten und auch Zwängen – eben mit den Dingen, die man in der Psychiatrie eigentlich zu behandeln versucht.

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